Raus aus dem Innovators Dilemma: So gewinnen Sie den Wettbewerb um Innovationen

Autor: Sofia Dobbertin

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Allgemein

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Raus aus dem Innovators Dilemma: So gewinnen Sie den Wettbewerb um Innovationen

Es passiert immer wieder und immer häufiger. Einst erfolgreiche Unternehmen gehen unter, weil sie von einem Nischenplayer des eigenen Marktes mit einem neuen Produkt überholt werden. Die ursprünglichen Marktführer haben die Entwicklung entweder nicht kommen sehen oder nicht ernst genommen. Experten bezeichnen das Phänomen als Innovator´s Dilemma, das Dilemma der Innovatoren.  

Innovators Dilemma: Was ist das?

Das Innovators Dilemma findet sich in allen Branchen. Besonders betroffen sind aber stark innovationsgetriebene Bereiche wie ITEngineering oder Life-Sciences: In diesen temporeichen, technologiegetriebenen Wirtschaftszweigen passiert es häufig, dass etablierte Unternehmen weiter auf ihre traditionelle Geschäftspraxis und ihre Produktsparte setzen und an neuen Technologien, Innovationen und Geschäftsmodellen vorbei agieren.

Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem eine Technologie ausgereizt ist. Dann produziert der hohe Weiterentwicklungsaufwand kaum noch einen Mehrwert für den Kunden. Das sind Zeiten, in denen Disruption droht. Disruption- davon ist die Rede, wenn eine Innovation unerwartet schnell und radikal eine bestehende Technologie, ein Produkt oder eine Dienstleistung verdrängt.

Beispiele für disruptive Innovationen gibt es viele: Apple, die ursprüngliche Computerschmiede, die mit dem iPod urplötzlich die Musikbranche umkrempelte und die CD als Massenmedium ausstach. Fast zeitgleich eroberte man mit dem iPhone den Handysektor und zwang Wettbewerber wie Nokia in die Knie, die die Bedeutung des Minicomputers für die Hosentasche lange unterschätzten und weiter auf Handys mit Tastatur setzten.

Aktuelle Praxisbeispiele für disruptive Entwicklungen 

Ähnliche disruptive Entwicklungen zeichnen sich aktuell in vielen Bereichen der Wirtschaft ab. Ein paar Beispiele zu (noch) offenen Fragen aus den Bereichen IT, Life Sciences und Engineering:

  • Werden Google und Apple die Autobranche mit selbstfahrenden Autos disruptieren?
  • Werden Online-Learning-Communities die traditionelle Bildung in Schulen, Universitäten oder Betrieben ablösen?
  • Werden Roboter Pflegekräfte über kurz oder lang arbeitslos machen?
  • Werden Wearables die ärztliche Diagnostik überflüssig machen, indem sie Gesundheitsdaten von ihrem Träger sammeln, mit anderen vorhandenen Daten abgleichen und Diagnosen ableiten?

Das Innovators Dilemma in der Praxis 

Wer solchen Entwicklungen als Entscheidungsträger gegenübersteht, ist dem Innovators Dilemma ausgesetzt. Er muss Fragen beantworten, auf die es noch keine Antworten gibt:

  • Macht es Sinn, in die neuen Märkte und Entwicklungen zu investieren?
  • Auch wenn der Markt dafür noch klein ist?
  • Und es noch nicht klar ist, ob sich die Innovationen überhaupt je durchsetzen?

Unternehmen, die genau dieses Risiko eingehen, wagen viel. Sie riskieren, etablierte Kunden zu enttäuschen, die auf die ihnen bekannten Produkte zählen und (noch) keine Abweichung vom Altbewährten wünschen. Kann ein Unternehmen es sich leisten, die Stammkundschaft derart zu verprellen – zugunsten einer viel kleineren Käuferschicht, die der neuen Technik frönt?

Nein, entschied zum Beispiel der Filmhersteller KODAK einst und setzte ebenso wie Kamerahersteller Leica weiterhin auf Farbfilm und Analogkamera. Obwohl das Zeitalter der digitalen Fotografie angebrochen war, entschlossen beide Firmen, die neue Entwicklung am Markt außen vor zu lassen – allerdings mit unterschiedlichem Ausgang.

Es ist nicht zu spät, das Ruder herumzureißen

Hanns-Peter Cohn, Vorstandschef von Leica, sagte noch im Jahr 2004: „Die Digitaltechnik ist nur ein Intermezzo. In spätestens 20 Jahren werden wir sicher mit anderen Technologien als heute fotografieren. Aber den Film wird es dann immer noch geben.“ Cohn sollte sich bitter täuschen.

Die Digitalkamera trat den Siegesfeldzug an. Und nur, weil Leica sein Unternehmen kurz darauf in Windeseile radikal restrukturierte, wurde es wieder profitabel. Kodak dagegen verpasste die digitale Revolution: im Jahr 1888 gegründet, 150.000 Mitarbeiter zu besten Zeiten, im Jahr 2012 insolvent.

Wer nicht aufpasst, nicht rechtzeitig die Kehrtwende einläutet, so lehrt das Kodak-Beispiel, der wird „disrupted“, zerlegt von der Konkurrenz – oft in Form junger Start-ups, die die Harvard-Historikerin Jill Lepore in einem Interview als „Rudel fresswütiger Hyänen“ beschreibt: „Sie sehen so klein und machtlos aus, bis man merkt – wenn es zu spät ist -, dass sie umwerfend zerstörerisch sind: Bang! Ka-boom!“

Die Ursprünge des Innovators Dilemma 

Eingeführt wurden die Begriffe Disruption und das damit verbundene Innovators Dilemma übrigens von Harvard-Professor Clayton Christensen. In seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ schrieb er erstmals über „disruptive Technologien“, an denen etablierte, erfolgreiche Unternehmen scheitern, wenn sie von Innovationen attackiert werden.

Doch mit der richtigen Strategie, so der Gelehrte, wäre wahrscheinlich selbst bei Kodak der Untergang vermeidbar gewesen. Das Kuriose: Kodak hatte sogar sicherheitshalber eine eigene Geschäftseinheit mit der neuen Technologie beauftragt. Allerdings hatte diese in dem Konzern nie eine wirkliche Chance, weil sie von vielen Kollegen als “Kannibalisierung“ und nicht als Weiterentwicklung der eigenen Produkte gesehen wurde!

Wege aus dem Innovators Dilemma: Das Startup im Konzern 

Wie kann es besser gehen? Zum Beispiel, indem Unternehmen eine vollkommen unabhängige Organisationseinheit schaffen, die neue Produkte und Technologien entwickelt – weit entfernt von der Mutterorganisation. Das eigene Startup außerhalb des Konzerns sozusagen.

Manche Unternehmen machen es sich sogar noch einfacher und kaufen kurzerhand Startups, die interessante Ideen verfolgen, auf. Namhafte Venture-Investoren gibt es inzwischen zuhauf: BMW, Siemens, 3M, Thyssen, SAP, Deutsche Telekom, Bayer, Microsoft, Google, Samsung, RWE – die Liste geht ins Unendliche.

Das Prinzip: Die eingekauften Startups werkeln weiter vor sich hin – zunächst nicht mit dem Ziel, mit den Produkten auf den Massenmarkt abzuzielen. Denn die Investoren wissen nur zu gut, dass diesem disruptive Innovationen oft nicht gut genug sind, bis sie einen gewissen Entwicklungsgrad erreicht haben. Ist aber eine bestimmte Qualitäts- und Entwicklungsstufe überschritten, treten die entsprechenden Produkte in der Regel innerhalb weniger Jahre einen rasanten Siegesfeldzug an.

Entwicklung: Scheinbar an den Bedürfnissen der Kunden vorbei 

Bis es soweit ist, sollte das Startup im Unternehmen ignorieren, was die wichtigsten Kunden im Massemarkt sagen – sie sind in der Regel lange Zeit nicht bereit, auf die neue Technologie umzusteigen. Sind sie es eines Tages, erfolgt der Umstieg meist radikal.

Bis dahin gelten folgende Werte:

  • Creativity rules: Zufällig, unbedarft, unbeabsichtigt entsteht in den Kreativschmieden etwas Neues. Der Moment der Ideenfindung ist frei von Konventionen, Wertvorstellungen, Denkmustern. Think big lautet die Devise.
  • Creativity gets real: Um aus der Idee etwas Reales werden zu lassen, braucht der Kreative Kreativitätstechniken, die ihn im Kreativprozess unterstützen und Werkzeuge zum Bau eines ersten Modells. Viele Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter dazu mit Lego und Knete experimentieren.
  • Creativity leads to opportnity: Unternehmen stellen ihren Kreativen die Wertschöpfung für den Erfolg zur Verfügung. Das umfasst: Umsetzung, Vertrieb, Vermarktung, Distribution, Service und Abrechnung.

Experten bezeichnen ein solches Vorgehen als Innovators Enabling – es ist das Kontrastprogramm zum Innovators Dilemma: In einem kleinen und unabhängigen Umfeld wird an Innovationen gebastelt, unabhängig von Marktprognosen oder den Wünschen etablierter Kunden oder Investoren. Was eigentlich jedem vernünftigen betriebswirtschaftlichen Denken widerspricht, sichert Unternehmen im Digitalzeitalter das Überleben.

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