Der Ingenieur-Arbeitsmarkt wird enger – Die deutsche Automobilindustrie im Rückwärtsgang

Autor: Sofia Dobbertin

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Allgemein, Neue Arbeitswelten, News & Insights

3 Min. Lesezeit

In einigen unserer letzten Blogs (z.B. „Die neuen Sondervermögen – Fluch oder Segen für den Ingenieur-Arbeitsmarkt?“ oder „A2D – Ist „Auto2 Defence“ tatsächlich ein Impuls für Ingenieur-Arbeitsmarkt?“) hatten wir uns bereits intensiv mit den aktuellen Entwicklungen am deutschen Arbeitsmarkt für Ingenieure beschäftigt und uns dabei auf mögliche künftige Entwicklungen konzentriert. In diesem Blog geht es eher um eine Rückschau. Anlass sind aktuelle Zahlen von EY, die nachdenklich stimmen. 

Die deutsche Industrie erlebt derzeit einen massiven Strukturwandel. Eine EY-Analyse und Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen auf, dass Ende 2024 die Industrie insgesamt etwa 5,46 Millionen Beschäftigte zählte – fast genau 100.000 Arbeitsplätze weniger (ein Minus von 1,8%) in nur einem Jahr und 217.000 Beschäftigte weniger seit 2019 (ein Minus von 3,8%). Im Rekordjahr 2018 arbeiteten noch 5,7 Millionen Menschen in Industrieberufen. 

„Das klingt mit Blick auf die aktuellen Zahlen nicht ermutigend, dennoch erscheint das Schlagwort von der „Deindustrialisierung Deutschlands“ unangemessen. Zu dieser Einschätzung kommt auch die Studie von EY, obwohl dort mit einem weiteren Stellenabbau in der Industrie bis zum Jahresende von 70.000 Stellen gerechnet wird“, ordnet Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB ein: „Schaut man sich die Veränderungen im 10-Jahres-Vergleich an, so ist die Industriebeschäftigung in Deutschland seit 2014 sogar spürbar im sechsstelligen Bereich gewachsen“. 

Dennoch bedeutet der aktuelle Stellenabbau in den Industriebranchen, dass viele Beschäftigte umdenken müssen. Besonders hart trifft es dabei die Automobilindustrie mit etwa 45.000 Stellen innerhalb eines Jahres! Die EY-Studie zählt Ende März 2025 rund 734.000 Beschäftigte in der Autoindustrie – ein Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahr. Noch härter trifft es die Zulieferindustrie, wo der Umsatz 2024 fast doppelt so stark (ca. 8%) wie bei den Herstellern, sank. Das macht sich auch bei den Beschäftigten in der Zulieferindustrie bemerkbar: 267.000 markieren einen neuen Tiefststand seit 18 Jahren, allein seit 2019 wurden 43.000 Stellen abgebaut, ob dieses Vor-Corona-Niveau nochmals erreicht werde, ist mehr als zweifelhaft.  So prognostiziert EY ausgerechnet in den klassischen „Ingenieurbranchen“ Maschinen- und Automobilbau die ersten Kandidaten im prognostizierten Stellenabbau von 70.000 Arbeitsplätzen in der Industrie bis zum Jahresende. Daher kommentiert Prof. Knörzer: „Es kommt in der Automobilindustrie gerade einiges zusammen: Die Transformation zur Elektromobilität, die die gesamte Wertschöpfungskette über alle Vor- und Zwischenprodukte bis hin zur Endmontage , von Forschung und Entwicklung bis zum After Sales-Management betrifft, die Verunsicherung, beispielweise durch offene Entwicklungen in den Exporten – Stichwort: Zölle, ein sich veränderndes Mobilitätsverhalten in der Gesellschaft. Wenn jetzt selbst mit Porsche einer der renditestärksten Automobilbauer darüber nachdenkt, Teile seiner Endmontage in die USA verlegen zu wollen, dann lässt das noch anderes erwarten. Und wenn selbst der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagt, BMW sei schon fast ein amerikanisches Unternehmen, dann steckt da zumindest ein Funken Wahrheit drin, zumindest wenn sich die Exporte von BMW aus den USA anschaut, etwa im Vergleich zu amerikanischen Automobilherstellern anschaut“.     

Und was bedeutet das für den Ingenieur-Arbeitsmarkt? Prof. Dr. Knörzer ist da sogar sehr optimistisch: „Der Ingenieurarbeitsmarkt bricht nicht zusammen, aber er verschiebt sich perspektivisch in andere Branchen. Über die Rüstungsindustrie als neuen Zielarbeitsmarkt für Ingenieure hatten wir uns ja schon mehrfach ausgetauscht. Wir sehen den Arbeitsmarkt für Ingenieure weiterhin als unverzichtbares und hochinteressantes Feld im Bereich der Hochtechnologie an. Der Arbeitsmarkt für Ingenieure ist keinesfalls tot, es verschieben sich aber die Schwerpunkte. Vergleichsweise stabil zeigte sich beispielsweise wieder die Chemie- und Pharmaindustrie. Und in Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien und Energiespeicher, Elektromobilität und Ladeinfrastruktur, Mobilitätsservices und vielen anderen mehr werden Ingenieure dringend gesucht werden. Insofern nimmt künftig sicherlich die Mobilität in diesem  Arbeitsmarktsegment zu. Und die Ingenieure, die diese Mobilität mitbringen, werden davon hinsichtlich Gehalts-, Karriere- und Entwicklungsperspektiven profitieren können. Wie bei jeder Entwicklung wird es aber Teilgruppen geben, die davon profitieren, und andere, die das nicht tun“.

 

 

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