4, 5 oder 6 – Wie viele Arbeitstage dürfen (sollen) es sein? (Teil 1)

Autor: Michael Knörzer

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Allgemein, Personal & Führung

3 Min. Lesezeit

Ein historischer Rückblick.

 

In Deutschland diskutieren Unternehmen die 4-Tage-Woche, manche haben sie sogar schon eingeführt. In Griechenland geht man seit Anfang des Monats den umgekehrten Weg: Seit dem 01. Juli ermöglicht der Gesetzgeber dort eine Sechs-Tage-Woche. Sinnvoll oder nicht? Ein modernes Instrument gegen den Fachkräftemangel oder ein dem Zeitgeist und den Bedürfnissen der Menschen völlig entgegenlaufender Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten? Die Einschätzungen gehen auseinander. Wir werfen einen Blick auf die Argumente.

 

“Ein vielschichtiges Thema am Schnittpunkt von betriebswirtschaftlichen Interessen, volkswirtschaftlichen Bezügen, Arbeitsrecht und nicht zuletzt gesellschaftlichen Entwicklungen, das auch stark mit Emotionen besetzt ist. Wie so oft gibt es keine ‘einfache’ Antwort, wenn man sich die Details anschaut und auch gegensätzliche Argumenten gelten lässt”, skizziert Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB die Situation. Welche Argumente sprechen nun für die 4- oder 6-Tage-Woche? Oder ist die 5-Tage-Woche doch ein ganz guter Kompromiss? “Um die teils sehr kontroversen Positionen zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick zurück zu werfen.

Zunächst muss man anerkennen, dass die meisten  Arbeitnehmer den freien Samstag als eine wichtige soziale Errungenschaft bewerten. Viele können sich gar nicht mehr vorstellen, dass bis in die 1960er Jahre die 6-Tage-Woche der Standard war. Für meine Großväter war der Samstag noch ein echter Werktag. Nur um einmal historisch einzuordnen, woher wir kommen”, verdeutlicht Prof. Knörzer den Ausgangspunkt der aktuellen Diskussion. Auch heute ist im Arbeitszeitgesetz noch von einer werktäglichen(!) Arbeitszeit von bis zu 8 Stunden die Rede, die sogar temporär auf 10 Stunden verlängert werden kann, was Wochenarbeitszeiten von 48 Stunden und zeitweise sogar 60 Stunden erlaubt, zumindest rein rechtlich. Dem stehen vielfach tarif- und einzelvertragliche Regelungen entgegen, die deutlich darunter liegen. “Eines der prägendsten Ereignisse der jüngeren Geschichte war sicherlich der Arbeitskampf in der Metall- und Druckindustrie um die Einführung der 35-Stunden-Woche im Jahr 1984. Das hat wirklich Deutschland bewegt, es gab kaum ein anderes Thema. Wochenlange Streiks mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen, gegen die die Bahnstreiks in jüngster Zeit vergleichsweise unspektakulär wirken. Am Ende stand der berühmte Leber-Kompromiss mit der 38,5-Stunden-Woche in der Metallindustrie. Das war rückblickend sicher ein Meilenstein in der Etablierung von Wochenarbeitszeiten von weniger als 40 Stunden.

Wer heute über Work-Life-Balance spricht, der sollte sich dessen bewusst sein, wie dieser Schritt damals erkämpft wurde”, wirft Prof. Knörzer einen Blick zurück. Heute zählt Deutschland  zu den Ländern mit im internationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Wochen- und Jahresarbeitszeiten: “Auch wenn es dazu unterschiedliche Erhebungs- und Berechnungsansätze gibt: In anderen Ländern, auch vergleichbaren Volkswirtschaften, wird teils deutlich mehr gearbeitet, gerade bezogen auf die Jahresarbeitszeit. Das gilt sowohl auf OECD- als auch EU-Ebene. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass in Deutschland die tatsächlichen Urlaubstage aus Individual- oder Tarifverträgen weit über dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen liegen. Da kommen bei 30 Urlaubstagen schnell über 200 Stunden zusammen. Gleichzeitig machen Arbeitnehmer in Deutschland jährlich über 1 Mrd. Überstunden, mehr als die Hälfte davon unbezahlt”, ordnet Prof. Knörzer die Arbeitszeit in Deutschland im internationalen Vergleich ein. Er betont zugleich, dass es andererseits darauf ankomme, wie die Arbeitszeit genutzt wird: ”Da sind wir bei der schwierigen Frage der betriebs- und volkswirtschaftlichen Produktivität. Die hängt von sehr vielen Faktoren ab und ist nochmals ein gesonderter Aspekt der Thematik.

Unabhängig davon ist es aber spannend, dass ausgerechnet aus Griechenland der Impuls für eine 6-Tage-Woche kommt. Denn Griechenland ist ohnehin ein Land mit vergleichsweise hohe Arbeitszeiten, das nun nochmals deren Ausweitung ermöglicht, während wir hier in Deutschland vielerorts über die 4-Tage-Woche, Remote Work, Workation,Work-Life-Balance und -Blending als Arbeitgeberattraktivitätsmerkmale sprechen. Dass das nicht so ganz in den Zeitgeist passt und es in der Diskussion von allen Seiten schnell weltanschaulich wird, weshalb Sachargumente dafür und dagegen oft nicht ausgewogen erörtert  werden, wundert mich nicht. Umso wichtiger, diese aufzuzeigen”. Diesen Argumenten werden wir in unserem nächsten Blogbeitrag gezielt nachgehen. 

 

 

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