Vorbildfunktion: Der Chef als Fels in der Brandung

In Zeiten, in denen es turbulent zugeht, sollten Manager ihre Vorbildfunktion gegenüber der Belegschaft nicht unterschätzen. Die Bedeutung steigt. Denn in Zeiten der Digitalisierung wird es in praktisch allen Bereichen hektischer. Worauf es ankommt.
Vorbildfunktion: Eine Erfindung der Evolution
Lernen geschieht häufig am Modell, also an einem Vorbild. Was für das Kindesalter gilt, hört im Erwachsenenalter nicht auf. Denn es hat sich evolutionstechnisch als sinnvoll erwiesen, sich am Ranghöheren zu orientieren: Irgendwie muss der es ja geschafft haben, sein Leben oder seine Karriere so zu strukturieren, dass es für ihn kontinuierlich bergauf ging. Dem eifert man nach. Logisch.
Kinder machen sie deshalb ihre Eltern zum Vorbild. Sie sind schließlich die ersten Bezugspersonen. Später wandelt sich das. Für Mitarbeiter im Unternehmensumfeld dient häufig der Vorgesetzte als Vorbild.
Dabei sollten vor allem angehende Manager nicht unterschätzen, was eben das für sie in punkto Mitarbeiterführung und Mitarbeitermotivation bedeutet. Insbesondere in Veränderungssituationen oder Krisenzeiten kommt der Vorbildfunktion eines Vorgesetzten besonderes Gewicht zu.
Ein standhafter, authentischer, verlässlicher Chef kann in Zeiten der Unsicherheit für Halt sorgen. Er ist der Fels in der Brandung. Eine fahrige, zerstreute oder unsichere Person kann ein bestehendes emotionales Ungleichgewicht hingegen zum Kippen bringen. Denn dann weiß keiner in der Belegschaft so recht, wo es langgeht und an welchen Werten er sich orientieren soll. Unter Umständen hat das negative Konsequenzen für das ganze Unternehmen
Vorbildfunktion: Warum sie immer wichtiger wird
Und eines steht fest: Seinen Mitarbeitern ein gutes Vorbild zu sein, wird immer wichtiger. Denn gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen, befinden wir uns in einem Umbruch, der seinesgleichen sucht.
Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung. Durch die rasant voranschreitende Digitalisierung ergeben sich für Unternehmen ständig neue Perspektiven. Neue Märkte entstehen genauso schnell, wie sie wieder untergehen. Firmen expandieren und schrumpfen sich kurze Zeit später wieder gesund. Unter Mitarbeitern sorgt das für Unsicherheiten. Auch verschwimmen in vielen beruflichen Sektoren Beruf und Freizeit immer mehr. Doch noch fehlt es an Ideen, mit den neuen digitalen Gesetzmäßigkeiten umzugehen.
So mancher Arbeitnehmer leidet zum Beispiel unnötig unter chronischem Stress. Er ergibt sich aus der Erwartungshaltung des Vorgesetzten, auf Anfragen prompt reagieren zu müssen.
Nicht, dass der Vorgesetzte das ausdrücklich einfordern würde. Aber er lebt es genauso vor. In jeder freien Minute wird das Handy gezückt, um E-Mails zu beantworten. Zur Not auch mitten in der Nacht. Am frühen Morgen stapeln sich die Nachrichten im Posteingang der Teammitglieder. Und der Zeitstempel verrät: Die letzte kam weit nach Mitternacht.
Gute und schlechte Vorbilder
Damit sind wir mitten drin im Thema Vorbildfunktion. Denn ein solches Verhalten spricht Bände. Der Vorgesetzte signalisiert auf diese Weise: Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit – für mich hat Arbeit immer Priorität. Damit transportiert er seine intrinsischen Werte, die er für wesentlich erachtet, um erfolgreich zu sein.
Was macht das mit seinen Angestellten? Ganz einfach: Viele werden versuchen, es ihm gleich zu tun. Selbst wenn sie es nicht für richtig halten, so werden sie mindestens den Druck verspüren, dass sie etwas nicht tun, was eigentlich von ihnen erwartet wird.
So ist der Mensch nun einmal programmiert – er richtet sein Verhalten nach dem potenziell Überlegenen aus. So lange jedenfalls, bis er merkt, dass es auf andere Weise viel besser geht und andere Firmen eigentlich die netteren, ausbalancierteren Vorgesetzten haben. Dann ist der Absprung Programm.
Können schlechte Vorbilder krank machen?
Führungskräfte, die das vermeiden wollen, sollten sich daher bemühen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wie entscheidend das insbesondere für die Gesundheit der Mitarbeiter und das Klima im Betrieb ist, belegt eine Studie des Gewerbeverbands Bayern (BdS).
Das Ergebnis: Wenn Führungskräfte bei ihrer Arbeit Überlastungen und Fehlbeanspruchungen entgegenwirken, tun dies zu 50 Prozent auch deren Mitarbeiter. Das ist nicht der Fall, wenn der Chef auf die eigene Gesundheit pfeift.
Vorbildfunktion: Was gehört alles dazu?
Die Studie zeigt also klar: Ist das Verhalten eines Chefs vorbildlich, sind die Mitarbeiter nachweislich
- weniger erschöpft
- weniger psychisch beansprucht
- oder haben weniger psychosomatische Beschwerden.
Auf lange Sicht zahlt sich das aus, denn Mitarbeiter, die sich um sich selbst kümmern, sind leistungsfähiger, motivierter und bleiben einem Unternehmen länger treu.
Dazu gehört zum Beispiel auch klar und deutlich zu signalisieren: „In der Freizeit hat jeder das Recht, das Handy auszumachen. Auch ich.“
(Pst, kleiner Tipp: Manchmal dauern die Tage eines Managers einfach länger. Dann würde es helfen, nicht demonstrativ zu zeigen, dass man regelmäßig außerhalb der Geschäftszeiten arbeitet. Zum Beispiel, indem man Mails nur zu den gängigen Öffnungszeiten verschickt.)
Für welche Bereiche ist sie wichtig?
Ein Vorbild zu sein, funktioniert natürlich nicht nur beim Thema Gesundheit oder Work Life Balance. Ebenso können Manager durch vorbildhaftes Verhalten zu mehr Kreativität beitragen. Einfach, indem sie andere die eigene Motivation, Leistungsbereitschaft und die Lust auf den Blick über den Tellerrand spüren lassen.
Manager, die öfters die Initiative ergreifen, ein offenes Ohr für neue Ideen haben, werden einen positiveren Effekt auf die Innovationsfreude im Unternehmen haben als jene, die alles schlecht reden und keine neuen Gedanken gelten lassen – außer den eigenen.
Die gute Nachricht: Eine positive Haltung gegenüber dem Unternehmen und den Mitarbeitern ist nicht zwingend eine Frage von Techniken, Methoden oder Trainings, sondern der inneren Haltung. Wer stets mit Begeisterung seinen Aufgaben nachgeht und sich an den Erfolgen anderer erfreuen kann, weil er sie als Gemeinschaftswerk wahrnimmt, wird mit der eigenen Begeisterung auch sein Team inspirieren.
Vorbild sein, heißt Größe zeigen
Aber auch durch das Eingestehen eigener Niederlagen können Manager heute Größe zeigen und Vorbild sein. Denn sie signalisieren: Missgeschicke können jedem passieren, aber wer diese nicht riskiert, lässt große Ideen vielleicht unentdeckt. Schließlich weiß man vorher nicht, ob eine Vision Hand und Fuß hat oder nicht.
All diese kleinen Mosaiksteinchen im Umgang miteinander werden zu einem guten Arbeitsklima führen und die Unternehmenskultur stärken.
Dass das nicht immer leicht ist, versteht sich von selbst. Aber die eigene Vorbildfunktion lässt sich sukzessive ausbauen, indem man Tag für Tag das eigene Verhalten hinterfragt und regelmäßig in die Schuhe der Mitarbeiter schlüpft – im übertragenen Sinne, versteht sich:
- Hätte mich meine heutige Reaktion als Mitarbeiter motiviert oder weitergebracht?
- Was könnte ich beim nächsten Mal besser machen?
Nur Mut: Bekanntlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – und Mitarbeiter verzeihen einem so manches, so lange man ehrlich und authentisch bleibt. Vorbilder müssen nicht perfekt sein, sie müssen menschlich sein.