Von smart bis hart: Das Prinzip des hierarchischen Personalabbaus

Autor: Sofia Dobbertin

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Allgemein

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Eine Analyse aktueller Downsizing-Strategien (Teil 1)

Der deutsche Arbeitsmarkt erlebt gerade einen Umbruch, wie ihn viele bis vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten hatten. Der in der Vergangenheit oft beschworene „Arbeitnehmermarkt“ scheint zumindest in einigen Branchen zu kippen. Nachdem wir bereits in einem unserer letzten Blogs (“„Back to the 90s“? – Die Rückkehr historischer Managementtrends und ihre aktuellen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, LINK EINFÜGEN) die aktuellen Bestrebungen vieler Unternehmen zum “Downsizing” aus Sicht der Unternehmensstrategie betrachtet hatten, geht es in diesem Blog um die personalstrategische Umsetzung.

 

Die Aussicht für viele zumindest gut ausgebildete Arbeitnehmer, quasi unkündbar zu sein oder jederzeit eine Alternative auf dem Arbeitsmarkt finden zu können, gilt nicht mehr uneingeschränkt. Und das ausgerechnet in Branchen, von Automotive bis IT, die als Standbein bzw. Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft galten.   

Die Gründe dafür sind vielfältig, wie wir in unseren letzten Blogs beschrieben hatten. Ebenso vielfältig sind die Anpassungsstrategien. „Aus Sicht der strategischen Personalplanung sind das interessante Zeiten, leider mit oft negativen Konsequenzen für viele Beschäftigte. Wir sehen gerade bemerkenswerte Kombinationen aus ganz unterschiedlichen Ursachen für Personalanpassungen und Maßnahmen zu deren Umsetzung“, fasst Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB die Situation zusammen. 

So stehen auf der Ursachenseite Gründe, die von sehr unternehmensspezifischen Anlässen über Brancheneffekte bis hin zu gesamtwirtschaftlichen Aspekten reichen. “Wir sehen gerade das gesamte Spektrum an denkbaren Auslösern für Entlassungen. Nehmen wir das Beispiel Bayer (siehe hierzu auch unseren Blog “„Back to the 90s“ !? – Die Rückkehr des Lean Managements” LINK EINFÜGEN). Dort ist der Stellenabbau bedingt durch eine unternehmensinterne Reorganisation. Beim Pharmazulieferer Sartorius sind es die Umsatzrückgänge nach dem Ende der Corona-Pandemie, die zur Kostensenkung und damit zum Stellenabbau zwingen. Im Automotive-Sektor ist es eine Kombination aus schwacher makroökonomischer Situation und einer sich verändernden Branche hin zur Elektromobilität. Wenn man bedenkt, dass von der Marke VW Ende 2020 noch knapp über 600.000 Fahrzeuge ausgeliefert wurden und im Februar dieses Jahres unter 300.000, dann ist das bemerkenswert. Bosch und ZF Friedrichshafen argumentieren als Zulieferer übrigens auch mit genau dieser Kombination aus allgemeiner Wirtschaftslage und brancheninternen Verschiebungen. Aber das Beispiel Tesla zeigt, dass innerhalb einer Branche die strategische Ausrichtung auf Elektromobilität allein kein Erfolgsgarant ist, wenn Konkurrenz aus China Marktanteile übernimmt und sich zudem – zumindest in Deutschland – noch regulatorische Rahmenbedingungen verändern, wenn wie in Deutschland die Kaufprämie für E-Autos zunächst für gewerbliche und dann auch noch für private Käufe von der Regierung gestrichen wird”, erläutert Prof. Knörzer.

Aus Sicht des strategischen Personalmanagements ist das Vorgehen beim Personalabbau interessant. Hier zeigen sich deutlich die Einflüsse der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen. Als Beispiel nennt Prof. Knörzer nochmals  das Beispiel Tesla: “Während Tesla in den USA bei seinem weltweiten Stellenabbau direkt zum Instrument der Kündigung von Mitarbeitern greift, wird am deutsche Standort Grünheide, zumindest in einem ersten Schritt, zunächst auf den Abbau von Leiharbeitnehmern zurückgegriffen. Das zeigt, dass Kündigungsschutzrechte aus dem Individualarbeitsrecht, aber auch betriebliche Mitbestimmungsrechte über Betriebsräte, beispielsweise im Rahmen eines Sozialplans, durchaus ihre Wirkung entfalten. Wir sehen hier aber auch das zwiespältige Verhältnis von Stamm- und Randbelegschaften. Mitarbeiter ist eben nicht gleich Mitarbeiter”. 

Dieses “Prinzip des hierarchischen Personalabbaus”, wie es Prof. Knörzer nennt, zeigt sich auch an anderen Beispielen. Am sächsischen Standort von Unilever wird – wenn keine Randbelegschaft wie befristet Beschäftigte existiert – aufgrund des Nachfragerückgangs an den dort hergestellten Produkten auf “sozialverträglichen” Personalabbau gesetzt. Gemeint sind Altersteilzeit und ein sozialplanbegleiteter Stellenabbau, wovon knapp die Hälfte der Mitarbeiter am Standort betroffen ist. Im Vergleich zu Standortschließungen, wie sie beispielsweise der Reifenhersteller Goodyear in Fulda und Fürstenwalde plant, scheint das aber noch das aber deutlich kleinere Übel zu sein, wie Prof. Knörzer betont, denn ein reduzierter Standort könne sich wieder entwickeln, ein geschlossener Standort werde nur äußerst selten reaktiviert. “Ordnet man die Instrumente der Personalanpassung nach ihren Auswirkungen auf Mitarbeiter ein, dann könnten Unternehmen zunächst einmal mit dem Abbau von Überstunden auf Arbeitszeitkonten beginnen, sofern Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies zulassen. Dann kommen Maßnahmen, die die Randbelegschaft betreffen, wie die Nichtverlängerung von Leiharbeitskräften, Freelancern und befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Wenn es dann auf die Stammbelegschaft zugeht, kommen zunächst Vorruhestand- bzw. Altersteilzeitregelungen in Betracht, später möglicherweise auch generelle Arbeitszeitverkürzungen für alle Mitarbeiter. Dann könnte die natürlich Fluktuation genutzt werden und – falls diese nicht ausreicht – Abfindungsregelungen eingebracht werden, die insofern für Unternehmen problematisch sind, als oft die Mitarbeiter mit den besten Qualifikationen und damit besten alternativen Arbeitsmarktchancen diejenigen sind, die diese Angebote annehmen. Erst spät werden betriebsbedingte Kündigungen, möglicherweise sogar mit einem Sozialplan, gewählt. Standortschließungen sind dann die Ultima Ratio”, priorisiert Prof. Knörzer die einzelnen Anpassungsmaßnahmen. Wann Unternehmen sich für welche Maßnahmen entscheiden, analysieren wir im zweiten Teil. 

 

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